Flower Power – mehr Wertschätzung für Schnittblumen

Regional, saisonal, nachhaltig – dafür engagiert sich die Slowflower-Bewegung und setzt sich für Schnittblumen aus der Region ein, die aus Bio-Saatgut gezüchtet und ohne Einsatz von Pestiziden angebaut werden. Damit stemmt sie sich gegen das Milliardengeschäft mit Schnittblumen als importierte Massenware.

Ursprünglich kommt die Slowflower-Bewegung aus den USA. Mittlerweile gehören der 2019 in Deutschland gegründeten wachsenden Bewegung Flowerfarmer:innen, Florale Designer:innen, Florist:innen und Blumengärtner:innen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich an. Der Zusammenschluss dient dem Austausch der Mitglieder untereinander rund um Themen wie Nachhaltigkeit, fairer Handel und Klimaschutz. Das Ziel ist jedoch, für Aufmerksamkeit und Aufklärung zu sorgen, um die breite Öffentlichkeit zu erreichen. Denn was die Konsument:innen selten wissen: für Blumen besteht keine Pflicht zur Herkunftskennzeichnung. Und ganz ehrlich: Wer hat im Blumenladen schon mal nach der Herkunft der Rosen zum Valentinstag gefragt oder beim Discounter genauer hingeschaut?

 

Schnittblumen als importierte Massenware

Etwa 90 Prozent aller in Deutschland erhältlichen Schnittblumen, die auf den Großmärkten vertrieben werden, werden im Ausland produziert. Im Jahr 2019 lag der Gesamtwert aller eingeführten Blumen bei 1,03 Milliarden Euro. Meist stammen sie aus den Niederlanden, wo sie unter hohem Energieaufwand in beheizten Gewächshäusern angebaut werden. Es werden besondere Beleuchtungen, Heizungen sowie Lüftungen verwendet, um ein schnelles Wachstum und eine gute Ernte zu gewährleisten.

 

© Laura James, Pexels

 

Eine Vielzahl der Schnittblumen hat zudem einen langen Transportweg hinter sich, da sie in Ländern wie Kenia, Sambia, Äthiopien oder Ecuador angebaut werden. Zur schlechten CO2-Bilanz kommt noch der hohe Einsatz von Pestiziden, um die Pflanzen vor Fäulnis auf den langen Transportwegen zu schützen. Und auch wenn die Blumen zwar vom Feld kommen, wird die heimische Natur und Bevölkerung durch Spritzmittelrückstände aus den Monokulturen und durch den immens hohen Wasserverbrauch langfristig geschädigt. Selten lassen sich zudem die Arbeitsbedingungen vor Ort als fair oder transparent bezeichnen.

 

Kleine Blumenfelder im Rhythmus der Natur

Die Slowflower-Bewegung will diesen Missständen im konventionellen Anbau von Schnittblumen etwas entgegensetzen und zeigen, dass Produktion und Anbau von Schnittblumen auch nachhaltig und fair geschehen kann. Angebaut wird alles, was im hiesigen Klima wachsen kann. Das bedeutet im Umkehrschluss: die Lieblingsschnittblume der Deutschen, die Rose, wird es nicht ganzjährig geben können. Mehr Natürlichkeit zuzulassen bedeutet, nicht im Januar schon Tulpen anzubieten, die in der freien Natur frühestens im April wachsen. Da braucht es ein Umdenken der Kunden – und der Branche. Floristen müssen die Alternativen sichtbar machen. Zum Beispiel mit dem Reichtum, den die Natur vor der Haustür zu bieten hat.

 

So funktioniert der nachhaltige Blumenanbau

Slowflowers werden im natürlichen Rhythmus der Jahreszeiten angepflanzt. Es ist also notwendig, sich nach der Natur zu richten und zu wissen, welche Blumenarten wann wachsen. Dies erfordert genaue Planung der Saat und der Ernte. Angebaut werden die Pflanzen mit nachhaltig produziertem Saatgut auf Feldern oder in Hochbeeten. Auf den Einsatz von genmanipulierten Pflanzen wird verzichtet und es wird ohne Pestizide oder andere giftige Stoffe gearbeitet. Stattdessen wird auf natürliche Hilfe gesetzt, zum Beispiel von Florfliegenlarven. Gedüngt wird natürlich mit organischem Material wie z. B. Pferdemist. Zusätzlich wird auf eine Mischkultur geachtet, sodass der Verödung der Böden entgegengewirkt wird. Alles zusammen fördert die Artenvielfalt auf den Blumenfeldern. Außerdem soll Müll vermieden werden: So soll auf Plastikverpackungen verzichtet und in der Floristik kein Steckschaum verwendet werden. Dieser kommt bei Events und Hochzeiten viel zum Einsatz, ist aber ein Wegwerfprodukt, das sehr viel Mikroplastik erzeugt. 

 

© The Blooming Project

 

Die Blumen sollen in ihrem natürlichen Tempo wachsen und nicht von Kunstdünger, Heizungen oder Leuchtstrahlern gepusht werden. Die Transportwege zu den Floristen sind kurz, die Blumen enorm langlebig und robust, weil alles gesund gewachsen ist. Der englische Begriff Slowflower klingt hip, so als wäre es ein neuer Trend. Dabei ist es ganz simpel das, was Oma früher im Bauerngarten gemacht hat: eigene Sachen ernten und verstehen, wo die Dinge herkommen. In der deutschen Region lassen sich auf diese Weise von März bis November Slowflowers anbauen. Diese können sehr vielfältig sein. Beliebte Sorten sind beispielsweise Mohn, Kornblumen, Levkojen, Akelei, Johanniskraut, Pfingstrosen, Schleierkraut oder Wicken. Im Winter kann auf Trockenblumensträuße setzen, diese sind langlebig und lassen sich nach Lust und Laune neu zusammenstellen.

Noch ist die Slowflower-Bewegung eine Nische, der Anbau erfolgt auf kleinen Flächen in Stadt und Land, meist auf weniger als einem Hektar (10.000 m²) Land, eine marktrelevante Rolle wird sie noch lange nicht spielen. Die Mitglieder sind in ganz Deutschland verteilt, die Blumen noch schwierig zu bekommen. Zudem sind sie teurer als herkömmliche Sträuße. Doch mit den Preisen im konventionellen Blumenhandel könne und wolle man auch gar nicht konkurrieren. Durch den Fokus auf Saisonalität und Nachhaltigkeit trifft sie jedoch den Kern der Zeit. Immer mehr Menschen sind bereit, insbesondere auch für Individualität mehr zu bezahlen. Dafür halten nachhaltig produzierte Blumen aber auch viel länger in der Vase als jene aus dem Supermarkt. Bei billigen Blumen zahlen letztlich alle drauf. Ein richtiger Markt für Slowflowers muss sich bei uns jedoch erst noch entwickeln. So klein hat es allerdings auch in anderen Bereichen angefangen, man denke nur an Bio-Produkte und nachhaltige Bekleidung.

 

The Blooming Project – Nachhaltigkeit gemeinsam aufblühen lassen

The Blooming Project ist Teil der Slowflower-Bewegung und das Gewinnerprojekt unseres Community Votings im April 2022. Mit ihren regionalen, saisonalen und biologisch angebauten Schnittblumen schaffen sie eine Alternative zum herkömmlichen Schnittblumensortiment. Ihr Ziel: Mehr Nachhaltigkeit in der Branche. Die Idee kam Mitgründerin Hannah Krimmer während ihrer Arbeit im Unverpacktladen, als ihre Suche nach Blumen, die regional und nachhaltig angebaut werden, ins Leere lief. Mit ihrem Angebot können sie das Produktsortiment nun selber erweitern. Kennengelernt haben sich die beiden Gründerinnen im Masterstudiengang Green Marketing. Schnell war klar, dass sie mit ihren sozial und ökologisch fair produzierten Blumen entlang der gesamten Wertschöpfungskette Verantwortung übernehmen wollen.

 

«Der konventionelle Schnittblumenmarkt bringt einige soziale und umweltbezogene Problemstellungen durch Monokulturen, lange Transportwege, Verpackungen und katastrophale Arbeitsbedingungen mit sich. Nach dem Vorbild der Slowflower-Bewegung ist The Blooming Project unser Hebel, um einen Umschwung in der Branche zu schaffen. Wir wollen mit und nicht gegen die Natur arbeiten.» Hannah Krimmer, Mitgründerin, The Blooming Project

 

© The Blooming Project

 

Teil des Geschäftsmodells sind Kooperationen, aus denen Synergien entstehen können: Das Team arbeitet mit Landwirt:innen und Florist:innen zusammen und zwar auf eine faire Weise, von der alle profitieren können. The Blooming Project nutzt dabei ungenutzte Flächen der Landwirt:innen, welche dadurch an Biodiversität gewinnen.

The Blooming Project möchte mehr Transparenz ins Schnittblumengeschäft bringen und den Anbau wieder in unsere Region verlagern – denn Schnittblumen können durchaus in unseren Breiten kultiviert werden. Dies fördert die Artenvielfalt und hilft, wieder mehr Insekten auf die heimischen Felder zu bekommen. Für die Verwirklichung ihrer Ziele bearbeitet die Initiative derzeit eine Fläche von 1000 Quadratmetern im Weinviertel auf ökologische Weise. Im Frühjahr sind die ersten Blumen reif für die Ernte und werden entweder an Florist:innen verkauft oder zu Sträußen gebunden und verkauft. Somit werden zwei Gebiete vereint: Den Blumenanbau und den Blumenverkauf, was wiederum eine komplett transparente und nachvollziehbare Wertschöpfungskette ergibt.

 

Weiterführende Links

www.slowflower-bewegung.de
www.thebloomingproject.at
www.famflowerfarm.eu

 

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Dr. Andreas Renner, Co-Founder Gexsi: andreas@gexsi.com